Take 6 – der freie Fall

Airon

Mein Tag heute begann gestern. Um genau zu sein in der Gestallt des Iren Airon, den ich in meinem Motel getroffen und mit dem ich mich locker für den Abend verabredet hatte. Da er auf dem Weg nach Mexiko hier in Orlando ein neues Motorrad gekauft hatte und nun auf sein Kennzeichen wartet, naja erst seit 4 Tagen und es wohl noch ein paar Tage dauern wird, traf ich in ihm eine weitere gestrandete Seele, die auf ein Ereignis wartete das wohl demnächst eintreten wird. Hoffentlich.
Er hatte den Vorteil das er schon seit Samstag die Nachtwelt erkundschaftet hatte und somit die Führung für das Unternehmen ‚Living After Sunset‘ übertragen bekam. Als echter Ire war natürlich klar was man mit einem Deutschen am Abend trinken geht, Bier, Bier, und Lager. Bis ich ihm verständlich machen konnte, das ich für diese Gerstenkaltschalen-Getränke eigentlich nichts übrig habe, waren schon die ersten drei Gläser in der Mitternachts-Sonne verdunstet. Bei den Gläsern vier und fünf erfuhr ich dann seine Vorlieben bei Frauen, sie sollten sein wie eine Tasse Tee, also klein, breit, stark, schwarz und was ihn zu seiner Jahres-Tour brachte: Die Trennung von seiner Frau, die im übrigen auch seinem Tee-Geschmack entsprochen hatte. Als wir uns dem sechsten Glase zu wanden, ich kam einfach aus der Nummer mit dem Bier nicht heraus, waren wir dann auch schon in der lebhaften Diskussion um Palästinenser, Israelis und dem Konvoi-Vorfall in diesem Jahr. Für einen Iren ist eine Waffe erst dann eine Waffe, wenn man einen Hebel umlegen und kleine Blei-Tropfen verteilen kann, daher sind wohl die meisten IRA-Kämpfer echte Friedensaktivisten, da Bomben wohl keine Sicherung besitzen die man erst umlegen muss. Um keinen falschen Eindruck von ihm zu generieren, er machte eher den pazifistischen Eindruck. Soweit man das von einem 44-jährigem breitschultrigen Schreiner mit zwei Millimeter Haaransatz sagen konnte.

Männer: Jäger oder Sammler?

Um 09:00 war dann die Welt wieder so, wie ich sie kannte. Die Housekeeping-Ladies tratschten lautstark über den Gang und im Nachbarzimmer mähte jemand den Brasilianischen Uhrwald ab. In meinem Diner von gestern wurde ich nun empfangen wie ein alter Freund der Familie, soweit man das Rita, eine kleine Namens-Korrektur zu gestern, ansehen konnte. Wie ich mein Omelett haben wollte, na das sieht man mir doch an, mit allem was geht. Nachdem sie ihr ungläubiges Entsetzen wieder eingefangen hatte, ergab sie sich und damit mir die Möglichkeit mit einem wirklich fetten Omelett in den Tag zu starten. Draußen traf ich dann auf Airon, der mittlerweile seine körpereigenen Schwebeteilchen wieder zu einem Ganzen zusammengesetzt hatte und ebenfalls in den Tag starten wollte. Hierzu gesellte sich Tim, Ex-Australier mit 13 Jahren Wilhelmshafen-Erfahrung, was ihn aber nicht davon abhielt konsequent im Englischen zu bleiben. Natürlich kamen wir gleich zu den wichtigen Themen, nein nicht Fussball, falsch Frauen auch nicht, das sollte ja auch ein echte Männer-Gespräch werden, wir kamen zum bevorstehenden Shuttle Launche und Airon lud mich ein auf seinem Sozius Platz zu nehmen und mir den zu erwartenden fünf-Stündigen Rückreise-Stau zu ersparen. Kleiner Haken an der Sache, ich bräuchte einen Helm.
Meine Lebensgeiser des Jäger und Sammlers waren geweckt, das kann ja nicht so schwierig sein, sich einen Helm irgendwo zu leihen. Aber nur wo? Vermietungen waren das nahe liegende, nur vermieten die hier alles nur keine Motorräder. Gut wenn man die gelben Seiten hat, oder einen Internet-Zugang, nach einer halben Stunde hatte ich es gefunden, den Harley Davidson Store Orlando, Bikes And More. Also hin und rein, beim alten Harley hallo sagen. Ab 99$ kann man hier schon den verstorbenen Dennis Hopper und Peter Fonda huldigen und bekommt eine Harley plus Helm geliehen. Klasse, nur das ganze Paket ohne Harley geht leider nicht. Aber einen kaufen, für Schlappe 150$, das sei kein Problem. Hallo, wo ist den da der Freiheitsgedanke geblieben, auf der Strecke oder was…

Freier Fall

Also gut, als Option im Kopf und da ich selbigen eh schon mal wieder etwas befreien wollte, erinnerte ich mich an einen hässlichen Turm, der mir auf dem Weg in die Universal Studios aufgefallen war. Das Indoor Skydive-Center. Gesucht, gefunden, gebucht. Mein Dive-Instructor, Eric, ein Frauen-Schwarm der wohl auf dem Football-Feld ein wenig zu viel geteckelt wurde und ein halbes Jahr in der Skydive-Anlage in Bottrop verbrachte, Empfang mich herzlich, aber leidenschaftslos.
Hier gibt es keinen Spaß, nur Konzentration. Mist, das hatte ich mir anders vorgestellt. Aber es war wieder einzigartig! Man bewegt einen Muskel und der Luftstrom bewegt einen selbst in eine andere Richtung, oder wie meinen Mit-Skydiver Dave aus Tanessie ganz schnell aus zwei Meter Höhe auf den Boden der Tatsache zurück. Eine Menge Spaß! Also bitte nicht ausprobieren, ist eindeutig Suchtgefährdend 😉

Vernissage oder Kunst-Aktion

Nachdem mich die Fernseh-Sender hier eindeutig langweilen, das wird wohl demnächst mal ein eigenes Kapitel werden, war ich doch sehr erfreut als das Telefon klingelte und Airon mich zu einem Bier einlud, nein ich mag das Zeug immer noch nicht, aber wie will man einem Iren das beibringen, als ließ ich es und mich selbst auf den Abend ein. Wir landeten schließlich in einer Bar, die zugleich Vernissage und Kunst-Aktion in einem war. Dem Bilder-Künstler würde ich am liebsten einen neuen Dealer oder einen gutem Psychiater empfehlen. Aber vielleicht lag das auch nur an meinem ungebildeten kindlichen Kunstverständnis. Gefallen hat mir die Kombination aus Live-Jazz und Body-Painting-Art. Und hier standen eindeutig nicht die Modelle im Vordergrund, sondern die Paintings von drei Künstlern, die sich in jedem neuen Set der Jazz-Band, auf den Körpern der Models erweiterten und/oder veränderten. Die Band, bestehend aus Drums, Bass, Rythem-Guitar und zwei Bläser waren sehr nice. Der Bassist, eindeutig ein Ersatzmann, mühte sich zusehends den anderen zu folgen. Was aber nicht weiter schlimm war, schließlich wiederlegte er das Vorurteil das alle Bassisten sich nicht bewegen würden. Ein gelungener ruhiger Abend.

Ooh, die Db hat sich gemeldet, jetzt sei alle gut. Da ich so etwas ja wirklich glaube, wird das eines der ersten Dinge sein, die ich morgen prüfen werde. Denn wenn das stimmt, starten sie auch den Shuttle bei strömenden Regen, ganz bestimmt 😉

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